„Guck mal, brennt es da hinten?“, frage ich Fabi beim Blick durch die Beifahrerscheibe. Rauchschwaden ziehen über die Wälder am Horizont. Es ist kühl geworden, wir sind auf 1800 Metern Höhe. Ich kurbel das Fenster runter. Eine Mischung aus alten Eiern und Achselhöhle weht mir entgegen. Nein, da ist kein Feuer. Aber wir sind am Ziel.
Faktencheck
Der Yellowstone-Nationalpark ist der älteste Park der USA. Gegründet wurde er 1872, was für hiesige Verhältnisse geradezu historisch ist. Er liegt grössenteils in Wyoming und ist knapp 9000 Quadratkilometer gross- da passt Malle 2.5 mal rein. Trotzdem stehen wir viel im Stau. Wie kann das sein? Liegt vielleicht an den über 4 Millionen Besuchern pro Jahr. Und an den Bisons, aber dazu später mehr. Im Stop and Go geht es vorbei an geothermalen Quellen (Gysiren und Schlammtöpfen), irgendwo brodelt es immer.
Angelarie
Fast episch mäandert der Yellowstone River, darin die Fliegenfischer und drum herum leuchtet es grün und gelb im Nachmittagslicht.
Inspiriert kaufen wir im Visitor Center eine Angel-Erlaubnis. Fabi will Forellen fangen. Das scheint leider nicht ganz unkompliziert. Der Katalog an Bestimmungen zum Fischfang umfasst über 30 Seiten. Zu viele Angler für zu wenig Fische.
Je nach Region des Parks gelten wiederum andere Regeln, nicht nur bezüglich Fangzahlen. Ziel ist es, die nicht endemischen Arten zu minimieren und sich dabei die Touristen zu Nutze zu machen. So zumindest unser Eindruck. Heisst, je nach Fischart entweder lebendig zurückwerfen (einheimische Art), töten und essen oder töten und zurückwerfen. Vor allem Letzteres erscheint uns etwas eigenartig. Beiliegend finden wir Steckbriefe der jeweiligen Forrellenarten. Ich sehe ein paar Fragezeichen in Fabis Gesicht. Wir fahren rechts ran und blicken zum Fluss. Da staubt es plötzlich in der Ferne der Prärie. Der Staub kommt näher, und zwar schnell…
„Ein Bison!“
Wir starren fasziniert den massigen Bullen an, knapp 900 Kg stürmen auf uns zu. Ein Bison! Fabi schnappt sich die Kamera. Ich weisst nicht so recht, checke mal vorsichtshalber wie weit das Auto weg ist. Plötzlich bremst der Bison ab. Hundert Meter wirken verdammt nah! Er liefert jetzt eine richtige Show für uns, schmeisst sich in den Staub, kickt mit den Hinterläufen aus und dreht sich dabei wie wild im Kreis. Neben uns steht noch ein Auto, alle springen raus und knipsen die Chipkarten voll.
Da blickt der Bulle plötzlich auf als wolle er sagen: „So, jetzt reicht es aber!“ Jetzt rennen alle. Gefühlte 20 Meter vor uns bleibt er stehen. Da haben wir uns schon längst ins Auto verkrochen. Wir lassen ihm seinen Platz und beschließen, dass fürs Angeln anderswo noch genug Zeit bleibt.
Später sehen wir noch viel mehr Bisons. Herden, Mütter mit Kindern, einzelne Bullen, zum Teil passieren sie die Strassen. Oft stehen die Menschen keine 10 Meter entfernt oder verstellen Ihnen den Weg mit ihren Autos, sodass Ranger eingreifen müssen. Man fragt sich wer hier wen beschützt. Abstand halten ist eine Sache von Respekt gegenüber Wildtieren. Leider verstehen das viele trotz Broschüre und Schildern noch immer nicht. Wir sind froh unseren stolzen Bullen gesehen zu haben, eine einmalige Erfahrung.
Brodelnde Erde
Wie alle anderen wollen wir natürlich die Geysire sehen. Es gibt unzähle kleine, grosse, bunte, schlammige, stinkende und qualmende heisse Quellen die auch ausbrechen zu entdecken. Besonders gut gefallen uns die hier:
- Black and Sand Basin: Unbedingt im Nachmittagslicht machen!
- Morning Glory Pool: Für Menschenfreunde…
- Old Faithful: Bricht stündlich mit zünftiger Fontäne aus, ein Erlebnis trotz der Fülle.
- Black Dragons Caldron: Die Schlammvariante, nichts für schwache Nasen!
- Mammoth Hot Springs: Zu heiss zum Baden, zu schön zum Verpassen!
Auch ganz schön: Den North Rim Trail am Yellowstone Canyon entlang der Wasserfälle wandern.
Das Gelände ist auf das Erkunden per Auto ausgelegt. Wir merken mal wieder, dass Massenveranstaltungen in der Natur nicht so unsers sind. So verzichten wir beispielsweise auf den Grand Prismatic Pool als vermeintlich grösste Attraktion des Parkes, da wir nicht bereit sind dafür eine Stunde anzustehen.
Reset
Die Schönheit dieser eigenartigen Landschaft entschädigt jedoch allemal für die Menschenmengen. Wir verziehen uns nach einer Weile trotzdem in die abseits gelegene Gegend an der Parkgrenze im Osten. Hier sind die Wölfe und Grizzlies zu Hause.
Ein paar Campgrounds dürfen wir nicht benutzen, da wir in unserem Klappdach aus Stoff nicht hinreichend vor den Bären geschützt wären. Nur ein anderer Overlander campt noch auf dem Platz hoch oben in den Wäldern.
Aus der Dunkelheit heult es in der Ferne. Ein Wolf? Und was war das für ein Knacken? Abends am Feuer fühlen wir uns klein. Was bisweilen in hektischen Alltagen verloren geht trifft einen in solchen Momenten mit Gewissheit: Wir sind nur ein (ganz) kleiner Teil vom grossen Ganzen. Drück mal auf reset!



