Baja California Roadtrip – Spots und Stories 1/2

Lesezeit: 9 Minuten

„Was, Ihr fahrt durch México? Viel zu gefährlich, seid ihr verrückt?“ Solche Sätze hören wir vor allem in den USA ständig. Die meisten Informanten haben zwar viel zu sagen, waren aber selbst noch nie dort. Schade! Denn dass dieses schöne Land mehr als Drogenkartelle und Gewalt zu bieten hat lernt man bereits wenige Meter hinter der Grenze. Die wir übrigens trotz abgelaufener US-Visa überqueren dürfen. Anschliessend laufen wir direkt in offene mexikanische Arme und bekommen oben drauf den ultimativen Baja California Roadtrip Guide.


„Rübermachen“

Der Grenzübertritt im gemütlichen Tecate erinnert ein wenig an Asterix und Obelix’ Passierschein-Labyrinth (Asterix erobert Rom). Aber alle sind freundlich und entspannt. Vielleicht liegt es an der leichten Taco-Wolke, die einen bereits hier umweht. 

Wir freuen uns riesig auf dieses für uns komplett neue Land und geniessen die Aufregung im Bauch. Die erste Polizei-Streife hinter uns. „Wird der uns gleich anhalten und Geld wollen, weil wir angeblich zu schnell fahren? Und geben wir dann was oder verhandeln wir?“, frage ich mich halblaut. Fabi fährt jetzt wie eine Oma. Alle überholen uns, inklusive der Polizei. Wir schütteln den Kopf über uns. So viele Vorurteile auch in unseren Köpfen. 

Obst- und Gemüseläden, bunte Schriftzüge kleiner Läden und unzählige Taco-, Tamales– und Mariscos-Stände fliegen am Strassenrand vorbei. Musik dröhnt aus allen Richtungen, per Lautsprecher werden die besten Deals der Supermärkte in die Luft posaunt. Es wuselt, es staubt, es – lebt!

Runterkommen – Rancho la Bellota

Auf unsere erste mexikanische Offroad-Strecke müssen wir nicht lange warten. Durch Matsch, tiefe Rillen und mehrere Viehgatter ruckeln wir immer tiefer hinein in die grünen Hügel der Nordbaja. Unser Ziel: Die Rancho la Bellota

In Mitten von grünen Feldern in einem kleinen Tal parken wir Emma neben Pferden, Schafen und ein paar wunderschönen Steinhäusern mit riesigen Agaven am Tor. Schnell fällt die Angespanntheit der Anreise von uns ab. Bald treffen wir Raul, den Besitzer der Guest-Ranch. Er führt uns herum in seinem selfmade Idyll. Und schafft sofort ein Gefühl des Willkommenseins. Kein Internet, nicht einmal Elektrizität. „Damit die Leute mal runterkommen…“, erklärt er uns in perfektem englisch. 



Kleiner Bruder, grosser Bruder?

Abends sitzen wir drei zwischen Petroleum-Lampen am Kamin, trinken erst Tee, dann Tequila und kommen von Vorurteilen, über Lebensentwürfe zum Reisen, und wieder zurück zu uns. Hatte man in den USA zuletzt oft das Gefühl, man solle doch bitte unverfängliche Themen bevorzugen („Besser keine Politik, sonst gibt es nur Streit!“), so ist das jetzt anders. Mit Raul ist alles herrlich politisch. Und oft lustig. Manchmal beides zusammen. Zum Beispiel, wenn er die Geschichte hinter dem amerikanischen Thanksgiving erzählt:

Die heute stolzen U.S. Cowboys hätten damals als Siedler noch nicht viel zu lachen gehabt – und vor allem nichts zu essen. Festschmaus mit Bison überm Feuer? Das war den Native Americans („Indianern“) vorbehalten. Letztere hatten jedoch Mitleid mit den hungernden Nachbarn und schenken den Siedlern ein paar Truthähne. Leider kam im Gegenzug nicht viel Gutes zurück, muss man wohl sagen. „Aber es freut mich immer wieder sehr diese Story beim gemeinsamen Thanksgiving mit Freunden aus den USA zum Besten zu geben. Die Gesichter müsstet ihr mal sehen…“, meint Raul und wedelt mexikanisch mit der Hand, „bei Thanksgiving verstehen die wenig Spass.“ 

Trotzdem wirkt das alles nicht verbissen. Raúls Frau Caroline stammt aus Kalifornien und zusammen haben sie dort längere Zeit gelebt. 

Später treffen wir auch Raúls Sohn, der ist Veterinär in Kalifornien, spricht perfekt englisch und spanisch und meint:“Hier im Norden Mexikos lernen wir früh, was viele US-Bürger über México denken. Dass davon das meiste nicht stimmt- egal. Manchmal rege ich mich noch auf, meist aber sage ich mir: „Was soll’s, sie wissen es eben nicht besser.“ Manchmal wirkt es als würden die Mexikaner über ihren naiven kleinen Bruder sprechen. Dabei scheint doch klar wer hier der grosse Bruder ist und eine Mauern braucht. Überflüssig zu diskutieren, was man hier von Trump hält…

Von Vorurteilen und Schnaps 

Zurück zu Raúl. „Mein Ziel ist es allen Overlandern wie Euch, also Menschen die für längere Zeit durch México reisen, Vorurteile zu nehmen und den Start zu erleichtern“, erklärt er. Die Ressentiments gegen México sind in den USA weiterhin stark verbreitet. Das können auch wir bestätigen. Und Angst ist immer auch ein bisschen kontagiös. „Mexico? Viel zu gefährlich, seid ihr verrückt?“ Solche Sätze fressen sich bei jedem Mal ein klein wenig tiefer in Deinen Kopf. „Es geht nicht um Schönmalerei“, meint Raúl, „natürlich haben wir in México Gewalt- und Drogen(Kartell)-Probleme. Aber diese Leute interessieren sich im Allgemeinen für ihre Geschäfte und nicht für Touristen. Die ganz grossen Fische sitzen ‘eh in Miami, Florida oder sonstwo am Pool. Das Business läuft nachts, und besonders in den Bergen. Wer dann dort rumfährt, ja, der läuft Gefahr zwischen die Fronten zu geraten.“ 

Wir fahren heute nirgendwo mehr hin- nach dem fünften Tequila. Der schmeckt hier wirklich vorzüglich und ist nicht mal ein entfernter Verwandter des in europäischen Bars feilgebotenen Gesöffs mit der Aufschrift Tequila. Denn, wie uns Raúl ausführlich erklärt, auf den Reinheitsgrad kommt es an. Wenn nicht 100% Agave draufsteht ist es Müll, Sprit, jedenfalls kein Tequila. Ich für meinen Teil kannte bisher unter Tequila nur Kopfschmerz. Jetzt weiss ich, dass ich den reposado bevorzuge und dass manche Klischees wahr sind. México ohne Tequila? Undenkbar. Bloss das mit dem Sombreros, die alle dabei tragen sollen, naja…aber gut. 



Nordbaja – Laufen lernen 

Raúl zeigt uns Ensenada, eine 500.000 Einwohner Stadt in der Nordbaja. Tanken, Tacos essen, Supermarkt, Go-Goes und No-Goes – Raúl ist bei vielen ersten Malen dabei. Wir steigen behutsam ein in unseren neuen mexikanischen Alltag. Nach ein paar Tagen schliesslich machen wir uns allein auf den Weg, aber nicht ohne den ultimativen Baja California Roadtrip Guide. Fühlten wir uns die ersten Meter nach Grenzübertritt noch von jeder Polizei verfolgt und witterten ständig Gefahren, so sind wir jetzt schon deutlich entspannter.

1. Topes

Trotzdem sind wir Neulinge: Das merken wir nicht zuletzt am ersten Tope, der uns mal so richtig zerrüttelt. Topes sind die fiesen Feinde aller Autofahrer. Sie lauern auf der Strasse, als kleiner Hügel oder Bodenwelle, oft nur spärlich gekennzeichnet und unbeleuchtet, kommen sie daher. Wenn du sie zu spät siehst kannst du deinen Achsen Gute Nacht sagen. Trotzdem, eine der effizientesten Geschwindigkeitskontrollen weltweit. Wer braucht da schon Blitzer. 

In der Nähe von Ensenada stehen wir direkt am Strand allein auf dem Campground. Überhaupt werden wir lernen, dass im Gegensatz zu Kalifornien hier wenig andere Menschen sein werden,. Viele wunderschöne Orte am Strand werden uns ganz allein gehören. Den ersten Playa teilen wir mit ein paar Locals. Die graben heftig im Sand herum. Da Erwachsene selten Sandburgen bauen fragen wir nach. Dass wir Spanisch sprechen wird ab jetzt Gold wert sein. 

„Wir bauen ein Mini-Jacuzzi. Hier unterm Sand sind heisse Quellen. Wollt ihr mal?“ Klar wollen wir. Heisse Quellen kennen wir bisher vor allem aus Canada an Flüssen und Bergen. Am Strand? Das ist neu für uns. Und ohne Schild, ohne Eintritt, einfach so da…sowieso. 

2. Schrott und Kakteen in Cataviña

Standen wir in den USA und Canada oftmals wild in freier Natur, so halten wir uns hier in Mexico noch an Campingplätze. IOverlander, die „Community based“ App zur Stellplatzsuche, ist weiterhin eine grosse Hilfe. Manchmal bringt sie einen aber auch in lustige Situationen. „Camping auf einer Ranch“, kann jedenfalls alles bedeuten, wissen wir jetzt. Auf einem Schrottplatz, zwischen alten Reifen, Plastik und Schaafsschädeln nur wenige Meter von der Hauptstrasse entfernt haben wir laut Navi das „Ziel erreicht“. Der zusammengebastelte Zaun am Eingang hängt am seidenen Faden und reicht bis zu den Knien. Auch wenn der sympathische Besitzer die Nacht über in seinem kleinen Zimmer da bleibt, sicher fühlt sich anders an. 

Später erzählt er uns, dass er hier mal mit der ganzen Familie gelebt hat und es ein Restaurant gab. Damals hätten sie gut vom Edelstein-Verkauf leben können. Mit den Steinen gingen Geld und Gäste. Viele Touristen sind kalifornische Surfer, die bleiben oftmals ganz im Norden. Der Massentourismus konzentriert sich auf den Südzipfel ganz unten. Hier im „Zwischendrin“: Viel Leere. Er überlässt es uns, aber wir lassen ein paar Pesos da. Auch ohne Edelsteine. Ein paar Meter später stehen wir zwischen riesigen Kakteen. Was für Motive! Nur für die Drohne ist es mal wieder zu windig. 



3. Apropos Wind: Bahia de los Angeles

Die Baja kann nicht nur Pazifik, sprich surfen, sondern auch Golf von Kalifornien, also schnorcheln, tauchen und Kiten. Am Pazifik schwimmen Wale am Strand vorbei, im Golf von Kalifornien kann man mit Walhaien schnorcheln. Gefischt wird überall. In der Bucht der Engel stehen wir mal wieder recht verlassen am Wasser. Der Wind nagt an unserem Klappdach aus Stoff. Uns ist das hier oben immer noch zu kalt, irgendwie. Die starken Gezeiten legen ein Stückchen der für die Gegend berühmten Artenvielfalt frei: Riesige Muscheln in allen Formen und Farben, Krabben, Seeigel, -Sterne und manchmal ein Oktopus versteckt unter Steinen. Verkäufer bringen fangfrische Camerones (Shrimps), wir machen das erste Feuer direkt am Strand. 

Baja California Roadtrip – Spots und Stories 2/2

Beim nächsten Mal: Der Süden! Stay tuned…;-)



Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Jochen Christ

    Schöne Bilder, schöne Texte! Die Lust und Freude an Eurer Reise, an allem Neuen und allen liebenswerten kleinen und großen Erlebnissen, der Landschaften und den Menschen spricht aus jedem Bild und jedem Satz. Behaltet es bei, genießt es! Ein unvergesslicher Lebenstraum.
    Alles Gute und liebe Grüße.

    1. littleroadtrip

      Lieber Jochen, vielen Dank für die Blumen! Es freut uns sehr, dass Ihr Spass am Lesen und Schauen habt. Das motiviert! Liebe Grüsse

  2. Gaby Christ

    Toller Blog und fantastische Fotos, es macht sehr viel Spaß mit Euch zusammen das Fremde zu entdecken 👍

    1. littleroadtrip

      Danke für das Lob, freut uns sehr! Liebe Grüsse nach Hamburg

  3. Hege & Sidney

    Schön wieder was von Euch zu lesen 🙂
    Und wir hatten fest damit gerechnet, im „nächsten“ Blog zu erfahren, wie Ihr zu Eurem neuen Begleiter gekommen seid… In dem Fall vielleicht im „nächsten“ 😉

    1. littleroadtrip

      Vielen Dank 🙂
      Und ja, wie es dazu kam werden wir natürlich ganz bald berichten…
      Liebe Grüße

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