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Nachdem wir in der Nordbaja laufen gelernt haben, also schon ein bisschen spüren, wie Reisen in México funktioniert, düsen wir weiter südwärts. Mit unserem ultimativen Baja California Roadtrip Guide von unserem mexikanischen Freund und Overlander, Raúl erkunden wir jetzt die Strände der Südbaja.

Südbaja – Laufen lassen
Ich erinnere mich nicht mehr genau ab wann man von der „wahren Baja“ spricht. Vielleicht ist es auch nur eine Erfindung der Gringos („Fremder“; negativ, meist US-Touristen). Jedenfalls heisst der Bereich südlich von Guerrero Negro „Südbaja“ und wildcampen ist wieder problemlos möglich. Zwar werden wir weiterhin ständig an Militärstützpunkten kontrolliert (Waffen in den Süden, Drogen nordwärts) aber wir sehen viele VW-Busse, Radfahrer und Aussteiger-Typen.
Ultimativer Baja California Roadtrip Guide
1. Ceviche in Bahia Concepcion
Am Strand der Bucht der Empfängnis stehen wir wenige Meter vom glasklaren Meer entfernt. Wir lernen Santiago aus Tijuana kennen. Was wir aus Filmen und Musikclips kennen ist für ihn einfach sein zu Hause. „Die Angst ist irrational, wir leben dort normal. Kommt doch zu Besuch, ich lade Euch ein!“, meint er. Tijuana hatte 2018 die höchste Mordrate weltweit: statistisch 5 Morde/Tag. Normal leben, das ist immer relativ. Auch Santiago spricht besser englisch als wir und hat ganz viel Spannendes zu erzählen. Wir werden ihn nochmals im Naturschutzgebiet und Schnorchel-Paradis Cabo pulmo wiedertreffen.
Das mexikanische Pärchen nebenan macht Spearfishing (engl.:Speerfischen) weit draussen im Meer von ihren Stand Up Paddle Boards. Fabi ist ein wenig neidisch, als der Typ einen riesigen Fisch noch am Strand zu Ceviche verarbeitet. Leider fliegen dabei relevante Mengen an Spucke mit in die Marinade aus Limone und Zwiebel (feuchte Aussprache). Zumindest ich habe ein schlechtes Gewissen, als wir die eigens für uns zubereitet Portion später unauffällig ins Feuer geben.
Viele Kanadier und entspannte US-Amerikaner die sich in den 70igern in diesen Fleck Erde verliebten, kommen jährlich wieder. Oder bleiben gleich ganz da. Es ist kurz vor Weihnachten und die englischsprachige Community hätte uns gern dabei an Navidad. Es ist wohlig, sie haben sogar einen Weihnachtsmann. Aber wir sind zu neugierig auf Neues, also weiter.


2. Paletas in Loreto
In Loreto befindet sich die älteste (katholische) Missionskirche der Baja. Beim Flanieren durch den hübsch gealterten Stadtkern sehen wir plötzlich wieder andere Touristen und entsprechende Infrastruktur. Es gibt sogar wieder Capucchino. Manchmal ist das auch ganz schön. Ich entdecke die Paleterias für mich. Hier bekommt man die kreativsten Stil-Eis-Sorten oder Chips mit warmer mexikanischer Salsa garniert (Achtung scharf!). Fast jeden Tag essen wir Mariscos (Seafood) oder probieren ein neues Gericht- die mexikanische Küche ist unendlich variantenreich. „Endlich ist Essen wieder Kulturgut“, meint Fabi happy zwischen zwei Bissen Fischtacos.



3. Lebkuchen in Agua Verde
Ein bisschen Schweiss steht auf Fabis Stirn als wir Agua Verde erreichen. Den letzten Hügel ziert ein „4×4 ONLY“-Schild, bevor es in den tiefen Sand des wunderschönen Strandes hinab geht. Wir sind knapp zwei Stunden über schlammige Feldwege hoch und runter durch grüne Berge gefahren. Jetzt stehen wir hier fast allein im feinen Sandstrand, die Fische hüpfen 3 Meter vor uns im türkisfarbenen Meer, es ist warm und ein leichter Wind heisst uns willkommen im kleinen Paradis „Grünes Wasser“.
In einer alten Hütte ohne fliessendes Wasser lebt hier seit Jahren ein alter Fischermann. Er heisst uns schüchtern willkommen. Eine Campinggebühr gibt es nicht, aber man lässt Trinkgeld da an solchen Orten. Wir natürlich auch. Und Kuchen, schliesslich ist Weihnachten. Der Fischermann ist im Dorf gegenüber nicht sonderlich beliebt. Denn dieser einsam anmutende Traumstrand ist begehrt. Aber da der Alte schon so lange hier lebt (früher mit Frau, jetzt allein) gehört ihm nach mexikanischem Recht mittlerweile dieses Paradis, für das sich jahrelang niemand interessierte. Das ärmlich wirkende Dorf schräg gegenüber würde gern mehr aus dem Land machen. Stichwort Kreuzfahrt-Tourismus.
Dieses Weihnachten wird ganz besonders. Nicht nur weil Fabi und ich unseren ersten gemeinsamen Weihnachtsbaum haben. Eine 25 cm Plastik-Tanne mit LED-Lichterkette. Sondern auch weil jegliche Feiertagsroutine flöten geht. Schnorcheln statt Plätzchen, Bikini statt Weihnachtsgeschichte, Fremde statt Familie und sandige 30 Grad statt nieselnde Dunkelheit. Als uns das Paar im baugleichen Toyota vom anderen Ende der Bucht zum Abendessen einlädt, sind wir natürlich dabei. Weihnachten zu zweit ist wirklich ungewohnt.
Es wird feuchtfröhlich, lustig, aber ein bisschen packt uns das Heimweh trotz der Idylle. Da holt Rodneys dänische Frau eine Kleinigkeit aus dem Auto die uns kurz nach hause teleportiert: Lebkuchen. Wir naschen glücklich wie kleine Kids an unserem Stück (jeder eins!) und schwelgen ein bisschen im Früher.





4. Mit Nadine in El Pescadero
WhatsApp von Nadine: „Hey ihr Lieben, was macht ihr zwischen dem 26.12. und. 7.01.? Hätte Ideen und wollte mal abtasten, wo ihr dann ungefähr seid.“
„Hoi Nadine, alles gut bei uns! Wir sind ziemlich sicher in der Baja California, im Süden. Wann sollen wir dich vom Flughafen abholen?“
Drei Wochen später steht sie da mit Rucksack und fünf Stangen Toblerone. Sie kennt uns einfach. Wir stopfen uns alle in Emma und fahren los Richtung El Pescadero, zum gleichnamigen Surfcamp. México hält für Nadine, die nach ein paar Tagen winterlichem New York aus der Schweiz zu uns kommt direkt eine Überraschung parat. „Nope, hier schläft niemand von uns“, stellen wir schnell fest. Die Cabaña ist wortwörtlich eine olle Hütte, brusthohe Wände, Moskitoschutz oder Privatsphäre Fehlanzeige. Dafür ist es schön voll. Aber hey, auch das ist Reisen!
Schnell finden wir trotz der Feiertage eine neue Bleibe am Cielitos Beach- DEM Anfänger Surfspot der Südbaja. Also Boards raus, rein in die Wellen! Wir liegen viel am Pool, weil wir es (seit langem mal wieder) können. Geniessen zum Essen Wein, und lange Abende voller Geschichten. Lassen einfach mal die Zeit vorbeiziehen ohne Wertung, eher ZEN-mässig aber ohne Rituale. Manchmal Schweigen wir zusammen, aber so wohlig, wie man es nur mit guten Freunden kann.
Alle drei sind wir in einer neuen Lebensphase. Fabi und ich sind plötzlich Reisende und Nadine hat grad den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Es gilt viele Ideen auszutauschen. Wenn Ihr ein paar davon lesen mögt schaut in Nadines Gastbeitrag: Von der Kraft des Schweigens, über Natur, Arbeit & Stille, erlernte Denkmuster und was es eigentlich heisst Zuhause zu sein.
Zum Schluss schnorcheln wir drei in La Paz noch mit friedvollen Riesen: Den Walhaien. Ein einmaliges Erlebnis- nachdem der Puls dann irgendwann runter ist.
Irgendwann müssen wir Nadine dann wieder am Flughafen abgeben. Es hätte noch ewig weitergehen können! Um es mit Deinen Worten zu sagen, Nadine: „It was a blast (engl.: Riesenspass)!“ Danke!









Und wieder hoch…
Für uns geht es nun von Los Cabos ganz im Süden wieder hoch in die Nordbaja, nach Ensenada. Auf dem Weg warten viele Surfspots. Ausserdem wird wieder geangelt. In Ensenada steht eine Aussenbox für unser Auto parat. Und noch etwas erwartet uns dort, ohne das wir es auch nur erahnen…aber dazu beim nächsten mal mehr 🙂







Pedro, Cuernavaca, Mexico
Toll eure Berichte und Bilder! Gratuliere!
Das Wort “Gringo” ist wirklich den US-Amerikaner vorbehalten und stammt auf dem US-Amerikanisch-Mexikanischen Krieg!
Die Amerikaner trugen damals grüne Uniformen und das Wort stammt von “Green go home”… Geblieben davon ist die Abkürzung – Gringo! Damals verloren die Mexikaner auch viele Gebiete wie Kalifornien (Alta California), Washington DC, Texas, New Mexico!
So kann man sich ein ungefähres Bild über die damalige Grösse des Staates Mexico machen!
Wenn es euch interessiert – hier ist noch etwas Geschichte: https://geschichte-wissen.de/blog/mexico-usa-kalifornien-texas-1846-1848-taylor-polk-praesident/
Weiterhin viel Vergnügen auf eurer Reise!
Grüsse aus Cuernavaca
Pedro
Lieber Pedro,
Danke vielmal! Schön, dass Dir unser Beitrag gefallen hat und vielen Dank für die geschichtliche Ergänzung. Unser mexikanischer Freund Raúl hatte uns auch von der Zeit berichtet als Mexiko nochmal viel grösser war- vor dem Krieg. Manchmal hat man den Eindruck das Wort “Gringo” verselbstständigt sich etwas. Soll heissen, alle Fremden sind potentiell Gringos. Aber natürlich hast Du absolut Recht, der Ursprung ist der des „Green go home“…
Liebe Grüsse nach Cuernavaca aus Mérida von uns
Wie immer ist auch dieser Beitrag brilliant geschrieben!So viele neue Eindrücke ,und man hat immer das Gefühl dabei zu sein !Einfach wunderschön!Es hilft einem ganz viele Vorurteile abzubauen…das gefällt mir besonders gut! Genießt dieses wunderbare Land weiter,trotz aller Schwierigkeiten….ihr Lieben!Gruss aus Hamburg 🥰
Vielen Dank für Dein Lob! Und schön, dass wir Dich abholen können mit unseren Bildern und Texten- das motiviert uns sehr! Wenn dabei das ein oder andere Vorurteil flöten geht umso besser 😉
Ganz liebe Grüsse aus Mexiko